Erleben wird immer digitaler. Im Zeitalter von Smartphone, Streaming und Co. setzt das Tanzfestival PURPLE Festival für Kinder und Jugendliche einen Gegenpunkt und zeigt den Heranwachsenden, dass der Moment zählt. Das Festival, das zum zweiten Mal stattfindet, bietet ab 23. Januar neben Tanzperformances und Hintergrundgesprächen auch Workshops für Schüler*innen und Lehrer*innen an, um sie für Tanz zu begeistern. Im Interview spricht Canan Erek über Körperlichkeit im digitalen Zeitalter, warum Männer wie Frauen tanzen sollten und was passiert, wenn Jugendliche ein eigenes Stück entwickeln.
Canan, zum zweiten Mal findet das PURPLE Festival für Kinder und Jugendliche statt, um Schüler für Tanz zu begeistern. An welche Schlüsselmomente von PURPLE 2017 erinnerst du dich?
Canan: An die Gesichter von vielen Grundschulkindern, die aufgeregt, neugierig das Stück „Il Giardino dipinto“ – der gemalte Garten von der italienischen Gruppe TPO anschauten und auf die Bühne gingen, um selbst den visuellen Einspielungen hinterher zu jagen. Auch der tolle Tanz-Workshop für Jugendliche, der am Wochenende stattfand und mit einer beeindruckenden Performance endete war für mich einer der Höhepunkte von PURPLE 2017.
Letztes Jahr erstaunte Clement Layes` “TITLE“, da er Objekte tanzen ließ, dieses Jahr arbeitet die Claire Parsons Company aus Stockholm mit Objekten, ihren Körpern und Ton. Ist das wirklich noch Tanz?
Canan: Aber sicher! Ich finde, wenn ein/e Choreograf/in entscheidet, Objekte in Ihre Choreografie miteinzubeziehen, dann hat es einen Grund. Sie ersetzen ja nicht den Tanz, sondern es sind darstellende Elemente welche den Kerngedanken vom Stück unterstützen. „And then“ beschäftigt sich mit Erzählungen, die immer wieder in ihren Anfängen stecken bleiben. Das Stück wird nicht weitererzählt, sondern weiter getanzt oder mit Hilfe der Zuschauenden neu erfunden. Die Objekte werden immer wieder neu benutzt und somit ist das wie ein Neuanfang, ein szenischer Wechsel, der von den Objekten eingeleitet wird.
Was können die Kinder und Jugendlichen von den Tänzern und Tanzvorstellungen lernen?
Canan: Es geht nicht vorrangig darum, etwas zu lernen, sondern darum, etwas zu erleben. Eine Tanzaufführung kann bewegen, berühren oder Fragen aufwerfen. Bei „Correction“ von VerTeDance zum Beispiel wird der Zuschauer*in gefordert, genauer hinzuschauen, um die feinen Bewegungen der Tänzer zu sehen und auch um Zeit anders zu empfinden. Jede/r, der sich darauf einlässt, wird das Stück anders erfahren. Gerade im digitalen Zeitalter bedeutet Tanz vor allem für Kinder und Jugendliche durch seine Körperlichkeit eine unersetzliche und einzigartige Erfahrung. Bei Tanz ist das Erlebnis einmalig, da jede Performance nur live erlebt werden kann und sich nur auf sich selbst bezieht. Tanz ist nicht eins zu eins wiederholbar, auch wenn die Choreografie festgelegt ist, bleibt der Moment der Ausführung den Tänzern überlassen. Auch das Publikum ist durch seine Präsenz und Aufmerksamkeit Teil dieses Moments und es kann die Qualität der Vorstellung mitbestimmen.
Der Berliner Choreograf Martin Nachbar präsentiert gemeinsam mit Felix Marchand in „Männer tanzen“ eine Mischung aus Bewegung und Erzählung. Als TanzKomplizen erzählen Nachbar und Marchand wie sie Tänzer geworden sind. Warum ist sind tanzende Männer so ein großes Thema und wie wichtig ist das Stück für Kinder?
Canan: Tanz wird im Allgemeinen immer noch mehr mit Weiblichkeit assoziiert. So denken auch die meisten Lehrer*innen. Sie haben Bedenken, dass Tanz keine Jungs anspricht. Ich beobachte aber bei den Jugendlichen von heute, dass diese Denke langsam verschwindet, da die Jungs auch gerne in den Clubs gehen und tanzen. Tanz ist in diesem Sinne genderneutral. Mit diesem Stück laden wir alle ein, zu erfahren, dass Männer durchaus tanzen.
Ernstere Töne schlagen Iron Skulls Co aus Barcelona mit „Sinestesia“ an. Auf der Bühne präsentieren sie apokalyptische Visionen. Was hat dich an dem Stück fasziniert?
Canan: Mit Iron Skulls Co erleben wir sieben außergewöhnliche Tänzer*innen, die eine Fusion aus HipHop, Akrobatik und zeitgenössischen Tanz auf die Bühne bringen. Für mich steht die Virtuosität dieser Kompanie in Vordergrund.
Es gibt nicht nur Tanz zu sehen, sondern auch zu erleben. Iron Skulls Co stehen nicht nur selbst auf der Bühne, sondern veranstalten einen intensiven Workshop mit Jugendlichen. Was ist besonders wichtig, wenn man mit Jugendlichen arbeitet?
Canan: Die Jugendlichen bekommen die Möglichkeit, mit professionellen Tänzern einen intensiven, kostenlosen Tanz-Workshop durchzuführen und erarbeiten gemeinsam eine kurze Choreografie. In diesen zwei Tagen lernen sie nicht nur Tanzschritte, sondern machen auch Erfahrungen wie sie sich gegenüber den Neuen öffnen und sich gegenseitig vertrauen können, um gemeinsam an einem Ergebnis zu arbeiten. Dadurch entsteht eine Gruppendynamik, was auch ihre sozialen Kompetenzen fördert.
Die Tanzpädagogin und Choreografin Nadja Raszewski führt Lehrer*Innen an den Tanz heran. Welchen Ansatz verfolgt dieser Workshop?
Canan: Der Workshop möchte Lehrer*Innen durch einen dreistündigen Workshop die Tanzkunst näherbringen, ihnen eine Selbsterfahrung ermöglichen und eine Verständnisebene erzeugen, so dass sie einen persönlichen Zugang bekommen. Wir erhoffen uns auch, dass die Lehrer*Innen danach motiviert sind, mit ihren Schulklassen öfter Tanzaufführungen zu besuchen.
Auch dieses Jahr setzt PURPLE auf internationale Künstler. VerTe Dance kommen aus Prag, Claire Parsons Company aus Stockholm, De Dansers aus Utrecht und Iron Skulls aus Barcelona. Verschiedene Identitäten treffen sich so auf der Bühne, auch die Gruppe Performing Group macht in „Chalk about“ Individualität und Identität zum Thema. Ist das auch ein bisschen die Botschaft des Festivals?
Canan: Mein Ziel als Kuratorin ist es, ein künstlerisch anspruchsvolles Bühnenprogramm mit verschiedenen ästhetischen Formaten und Fragestellungen der internationalen zeitgenössischen Tanzszene zusammen zu stellen. Das ist auch typisch für Berlin. Dieses Selbstverständnis spiegelt sich auch in unserem Festival wider. Internationalität gehört einfach zur professionellen Tanzszene wie Butter aufs Brot.
Interview: Susanne Gietl
Weitere Informationen
PURPLE – Internationales Tanzfestival für Kinder- und Jugendliche findet von 23. Bis 18. Januar an den Spielorten Uferstudios/Berlin-Wedding, Tanzstudio im Podewil/Berlin-Mitte und THEATER STRAHL.Halle Ostkreuz statt
Tickets für das Festival kosten 13, ermäßigt 8 Euro, Kinder zahlen 6 Euro. Anfragen an karten@purple-tanzfestival.de
Orte
Uferstudios | Badtsr. 41a | 13357 Berlin-Wedding
Theater Strahl | Halle Ostkreuz | Marktstr. 9-12 | 10317 Berlin-Lichtenberg
Tanzstudio im Podewil | Klosterstr. 68 | 10179 Berlin-Mitte
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PURPLE Internationales Tanzfestival für junges Publikum wird gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds Berlin. Die Gastspiele werden unterstützt durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ im Rahmen der Gastspielförderung Tanz aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Kultur- und Kunstministerien der Länder, durch das TschechischesZentrum Berlin, durch die Swedisch Arts Council und Accion Cultural Espanola AC/E.
Das internationale Tanzfestival PURPLE steht unter der Schirmherrschaft des Berliner Kultursenators Dr. Klaus Lederer
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