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„Meine Performance lässt Scheitern zu“

Clement Layes/Public in Private: "TITLE" copyright: Roberto Duarte
Clement Layes/Public in Private: "TITLE" copyright: Roberto Duarte
Schlagworte
Datum
26.01.2017

Seine zweijährige Tochter war Clément Layes größte Inspiration dafür, sich mit der Rolle von Objekten zu beschäftigen. Entstanden sind sechs Stücke: In seinem ersten Werk, „Allege“, gießt er auf sehr umständliche Art und Weise eine Pflanze, in „TITLE“ ist er mittlerweile auf einer Art Baustellen-Setting angekommen und schließt damit seine Objektforschungen ab. Doch warum ist Blumengießen und Zirkuskunst Tanz und welche Rolle spielt die Sprache in seinen Stücken? Clément steht Susanne Rede und Antwort.

Du hast drei Jahre lang eine professionelle Zirkusschule besucht, Kunst, Philosophie und Tanz studiert und die Feldenkreis-Methode erlernt. Ist all das wirklich notwendig, um gut zu performen?

Clément: Nein. Ich suchte früher lange danach, was ich machen könnte, also lernte ich ständig weiter. Natürlich ist all das nicht notwendig, aber ich finde, dass es wichtig ist, sich nicht auf eine Sache zu versteifen. Wenn ich choreografiere heißt das nicht, dass ich automatisch damit aufhöre, mich für andere Dinge zu interessieren. Ich verbinde gerne mehrere Kategorien miteinander und zeitgenössischer Tanz ist eine Kunstform, bei der man diese Möglichkeit hat.

Warum befindet sich deine Performance thematisch zwischen philosophischem Stück und einer Zirkusshow?

Clément: Meine Arbeit fokussiert sich seit sieben Jahren auf Objekte. Jede Performance hat eine andere Beziehung zu Objekten. Diesmal wollte ich zeigen, wie eindrucksvoll sie sind und ihre Fähigkeit zeigen, selbst zu performen. Ja, meine Performance erinnert an eine Zirkusshow und die Bühne sieht aus wie eine Zirkusmanege. Auch wenn Zirkusartisten virtuoser sind, ist ein Minimum an Virtuosität vorhanden.

Du setzt sich auf einen langen Balken, der auf einer Sektflasche steht, einmal legst du dich unter einen Betonklotz, der schräg steht und nur von einer Planke gehalten wird. Das muss doch sicherlich sehr oft geprobt werden, damit alles perfekt funktioniert

Clément: Ehrlich gesagt lässt diese Performance viel Raum für Spontanität. Es fällt gar nicht auf, wenn etwas schief geht. Schließlich ändere ich immer wieder die Bühnensituation, weil die Objekte ein Eigenleben besitzen. 

Es scheint, alsob die Objekte dich bestimmen.

Clément: Mir war es wichtig, die Dinge in den Mittelpunkt zu rücken und nicht nur den Performer. Wir sind es gewohnt, menschliche Körper in Performances zu sehen. Dadurch, dass die Objekte selbst performen, stellt man sich so eine Frage wie: Wie interagieren die Objekte mit dem Menschen? Sie sind extrem extrem präsent. Ein Aspekt, der seit dem 20. Jahrhundert immer wieder betont wird. Vieles wird nur produziert, um wieder weggeworfen zu werden. Das ist wie ein Virus, der Objekte auf eine eigenartige Art und Weise vermehrt. All das spielt eine Rolle in der Performance. Ich beziehe mich auch auf den sechsten Kontinent, das ist ein Kontinent in der Mitte des Meeres, der nur aus Plastik besteht. Das ist der dramatische Aspekt, aber man kann auch die Frage wieder neu stellen und überlegen, was man dagegen tun kann.

Sind die Objekte wie Menschen?

Clément: Nein, sie haben aber eine Aufgabe. Ich würde Objekte nie mit Menschen vergleichen, aber auch Objekte können Dinge tun. Wir sind alle Teil eines Netzwerks von Gegenständen, Körpern und sehr komplexen Konstrukten. Wir meistern das aber alle. Im Stück taucht immer wieder das Motiv der Freiheit auf: Im Song, der am Anfang gespielt wird, auf dem Buchcover steht auch etwas mit Freiheit und der Mann auf der Bühne kämpft ständig mit den verschiedenen Möglichkeiten, Dinge zusammenzubringen und verschiedene Konstruktionen zu bauen. Wir leben in der westlichen Welt, wo diese Freiheit uns keine wirkliche Freiheit, also äußerliche Freiheit, gibt. Wir sind vielmehr so überwältigt von all diesen Möglichkeiten, dass wir sie nicht umsetzen.

Der Künstler arrangiert die Dinge immer neu, aber die Dinge haben ihr Eigenleben und so ist die Freiheit, die er fühlt, nicht real, weil immer etwas passiert, was er nicht erwartet.

Clément: Es gibt in der Performance viele Elemente, die ich nicht kontrollieren kann. In der Gesellschaft ist der Künstler immer derjenige, der am freiesten ist, aber die Frage ist, wie er damit umgeht. Diese Performance ist auch die letzte von sechs Performances über Objekte. Sie bringt auch andere Elemente aus meinen früheren Stücken zusammen, deshalb gibt es diesen Kreis und auch mein Begehren, alles zusammenzubringen und deshalb tanzen am Ende alle Objekte.

Wir sind auf einem Kinder- und Jugendfestival. Was denkst du darüber, dass dein Stück hier aufgeführt wird?

Clément: Für mich ist es spannend, dass es ein Stück ist, das für Jugendliche gespielt werden kann. Das Stück selbst ist sehr mittelbar und spielerisch. Für die Jugendlichen machte ich ein paar Anpassungen und übersetzte Worte ins Deutsche. Ich glaube auch, dass meine Fragen superrelevant für Jugendliche sind. Als wir nach der Performance über dieses Stück sprachen, bemerkten einige der Jugendlichen: „Dieser Mann muss ständig mit Chaos umgehen, er kreiert seine Probleme immer selbst.“ Ich hoffe, dass die Jugendlichen und der Lehrer auch über den Gebrauch von Dingen und Technik sprechen werden und darüber, wie wir mit dem umgehen, was uns umgibt.

Das Stück ist in rot, weiß und schwarz gehalten. Würde man das schwarz gegen blau austauschen, wären es die Farben der französischen Flagge.

Clément: Bei der Farbauswahl dachte ich nicht an Flaggen, sondern daran, dass die verschiedenen Objekte zusammenpassen sollten. Gemeinsam ergeben sie keinen Sinn: Es gibt eine Bohrmaschine, ein Kopfkissen, eine Sektflasche… Aber durch die Farben ergibt es ein Gesamtbild. In jeder meiner Performances wechselte bisher immer eine Farbe. Schwarz und weiß sind immer die fundamentalen Farben. Eine Performance war gelb, weiß und schwarz, „Allege“ war grün.

Warum sprichst du auch im Stück. Es würde doch auch so funktionieren?

Clément: Sprache und Dinge können sich miteinander verbinden oder sich auch wiedersprechen. ich glaube, dass in allen Performances, besonders in diesem Stück und in „Allege“ diese Frage im Raum steht, wie Sprache unsere Beziehung zu unserer Welt bestimmt.

Hast du das von deiner Tochter gelernt. Schließlich inspirierte sie dich auch bei „Allege“?

Clément: Ja, aber dieses Stück richtet sich an ein erwachseneres Publikum. Als ich das erste Stück kreierte, war meine Tochter zwei Jahre alt, sie hatte eine unglaubliche Art, mit Dingen umzugehen. In dem Alter wissen sie nicht, was die Funktion eines Objektes ist. Ein Glas ist zum Beispiel kein Objekt, um damit etwas zu trinken. Für sie war ein Glas etwas, um es zu umzuwerfen oder Wasser hineinzufüllen. Diese pure Art ist schön. Als sie älter wurde, erfuhr ich, wie einem die Gesellschaft aufzwingt, was für eine Funktion ein Ding hat. Das war ein wichtiger Moment.

Und am Ende stirbt die Sprache.

Clément: Das ist wahr. Das Stück hat ein Ende und beginnt erneut. Dann bewegen sich nur die Objekte und ich und mein Musiker verlassen die Bühne. Danach ist die Performance zwar zu Ende, aber alles bewegt sich weiter. Es hat seinen eigenen Kreislauf und gibt Hoffnung.

Das ist deine letzte Performance mit dem Schwerpunkt Objekte. Wie geht`s danach weiter?

Clément: Mein neues Stück wird „The eternal return“ heißen und greift die Idee der Wiederholung auf. Es ist eine alte Idee mit Schwerpunkt auf Nietzsche (Am. d. Red: Friedrich Wilhelm Nietzsche, der Philosoph): Was würdest du tun, wenn du das Leben, das du jetzt lebst, immer und immer wieder bis ans Ende deiner Tage wiederholen würdest? Wie würde dich das beeinflussen? Es ist ein Stück mit 15 Performern, die nach und nach auf die Bühne kommen und jeder wiederholt etwas. Es ist das erste Stück in meiner Serie von Performances, die ich machen möchte, das Rhythmus miteinbezieht. Es wird ein trommelnder Rhythmus sein und keine Musik im klassischen Sinne. Der Rhythmus ist das Element, das eine Beziehung zwischen Räumen, Objekten und Menschen herstellt.

Ist das, was du machst, Tanz?

Clément: Ich spreche lieber davon, dass ich choreografiere. Ich denke in Bewegungen, aber es ist keine feste Form, nach der wir suchen. Tanz ist etwas, dass sich durch die Zeit bewegt, den Körper miteinbezieht und sinnlich ist. Aber ich interessiere mich mehr für Choreografie und zeitgenössische Performance. Zeitgenössischer Tanz ist für eine Tanzform der 90er, die nach Modern Dance entwickelt wurde. Heute sprechen wir mehr von zeitgenössischen Performances, die Theater, Kino und alle Arten von visueller Kunst miteinbeziehen. 

Wann spricht man nicht von Tanz?

Clément: Tanz ist das, was in Bewegung ist. Wenn etwas an einer Form festhält, dann ist das nicht mehr wirklich Tanz. Deswegen ist Tanz inmitten all der anderen Kunstformen die offenste Form. Tanz hinterfragt sich immer selbst.

Interview: Susanne Gietl von Kulturschoxx.de

 

Weitere Infos

Der in Berlin lebende Choreograf Clément Layes beendet mit „TITLE“ seine Performancereihe über Objekte. „TITLE“ wurde am 23. und 24. Januar im Rahmen des PURPLE-Festivals aufgeführt.

 

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