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Wie begeistert man Kinder für Tanz?

Round Up PURPLE. Foto: Susanne Gietl
Round Up PURPLE. Foto: Susanne Gietl
Schlagworte
Datum
31.01.2018

Das Ziel von PURPLE ist es, Schüler*innen wie Lehrer*innen an Tanz heranzuführen. Doch wie gut funktioniert das wirklich und wie lässt sich Freude am Tanz vermitteln? Darüber diskutierten beteiligte Künstler*innen und eingeladene Gäste gemeinsam mit den Festivalleiterinnen Inge Zysk und Canan Erek am Freitag beim diesjährigen Round Up PURPLE.

Tanz versus Theater

Auch dieses Jahr war die Stellung von Tanz ein vorherrschendes Thema, denn anders wie beispielsweise Theateraufführungen werden Besuche von Tanzperformances in Schulen eher selten angeboten. Doch warum wird Tanz an Schulen so stiefmütterlich behandelt?

Der Grund sei, dass in der Schule alles sehr kopflastig sei, so Theaterpädagogin Amelie Mallmann. Man lerne dort, mit Worten zu spielen und man vertraue lieber dem Wort als der Bewegung. Auch Sonja Augart, Tanzexpertin vom mapping dance berlin Programm, hat dieselbe Erfahrung gemacht. Wie also lässt sich Tanz besser ins schulische Wesen integrieren?

Ein Vorschlag kommt von Margit Szlezak, welche in der Humboldthain Grundschule 18 Jahre lang eine Tanz AG leitete. Man müsse bei den Lehrer*innen ansetzen. Sie weiß aus Erfahrung, dass es teilweise innerhalb des Kollegiums ein „Kampf“ war, Tanz zu etablieren. Die Lösung von Cornelia Baumgart vom Theater Strahl geht wieder zurück zum dem schulischen, eher kopflastigen Ansatz. Um Tanz für Lehrer*innen greifbar zu machen, solle man, so Baumgart, bei Schulprojekten immer ein Thema in den Vordergrund stellen.

Josephine und Cornelia. Round Up PURPLE. Foto: Susanne Gietl

Josephine von Rheenen und Cornelia Baumgart beim Round Up PURPLE. Foto: Susanne Gietl

 

Erwachsenendenken

Auch über die Rezeption von Tanzstücken wird gesprochen. Besuchen Schüler*innen und Lehrer*innen eine Tanzaufführung, so sei die Wahrnehmung eines Stückes nicht unbedingt gleich, weist Laura Cadio hin. Hier besteht klar ein großer Unterschied in der Rezeption des Stückes bei Lehrer*innen und Schüler*innen. Stoffe wie „Chalk About“ lassen Erwachsene eher ratlos zurück, da das Stück kein klares Thema wie beispielsweise Umweltschutz („TRASHedy“) verhandeln, so Martin Rascher von der Performing Group. Deshalb ließen sie sich viel schwieriger an Bildungsinstitute verkaufen. Bei Kindern hingegen komme gerade „Chalk About“ gut an. An einer Stelle spricht Constantin Hochkeppel, einer der Performer, französisch. Alexandra Defazio merkt an, dass die Kinder sogar während des Stückes vergaßen, dass er ein fremde Sprache benutzte, da er durch Gesten und Mimik den Inhalt so gut erklärt.

Auch das Verhalten der Kinder während und nach der Vorstellung wird von Erwachsenen gerne missverstanden: Lehrer*innen verstehen oft nicht, dass ein Kind in einem Workshop durchaus aufgeweckt sein darf. Sie wehren sich oft dagegen, so Rascher,  dass die Schüler*innen aktiv und lauter werden, weil sie Angst haben, dass es schwer sein würde, sie wieder „auf ein normales Level“ zurückzuholen. Livia Patrizi bestätigt Raschers Meinung, denn auch wenn ein Kind während des Stückes laut ist, kann es trotzdem dem Stück folgen. Das habe sie schon oft beobachtet.

Keine Angst vor dem eigenen Körper

Leider fehle es, so Rascher, oft an der Offenheit von Lehrer*innen für Tanzstücke. Szlezak kennt dieses Problem und erklärt, dass es durchaus ein langer Prozess sein kann, um Lehrer*innen für die Tanzkunst zu öffnen. Ihr Vorschlag: Workshops schon für angehende Lehrer*innen anzubieten, um sie zum zeitgenössischen Tanz hinzubegleiten. Cadio ergänzt, dass der Umgang mit dem eigenen Körper nicht als Kind gelernt wurde. Das bliebe dann im Erwachsenenalter auch so. Auch aus diesen Gründen bot Nadja Raszewski dieses Jahr einen Workshop für Lehrer*innen an, um ihnen den Zugang zum Tanz zu erleichtern Raszweski weist darauf hin, dass die Workshopgruppe heterogen war. Neben Lehrer*innen mit Tanzerfahrung gab es auch Lehrer*innen, für die die Beschäftigung mit Tanz eher neu war. Das Feedback war von allen positiv.

Gleich mehrere Diskussionsteilnehmer*innen bestätigen, dass durchaus eine Nachfrage besteht. Livia Patrizi schlägt vor, neben dem Tanztreffen der Jugend ein Tanztreffen der Lehrer*innen ins Leben zu rufen. Sander von Lingelsheim, der beim Tanztreffen der Jugend auch ein Forum für Tänzer, Tanzpädagog*innen, Choreograf*innen, tanzerfahrene Theatermacher*innen und Studierende bietet, unterstreicht Raszewskis Erfahrungen. Das Forum sei jedes Jahr restlos ausgebucht. Auch Cornelia Baumgart veranstaltet drei bis vier Mal im Jahr einen Tanzworkshop für Lehrer*innen.

Doch wie viel Verständnis ist notwendig, um Kind wie Lehrer*in an ein Stück heranzuführen? Darin sind sich die Round Table-Teilnehmer*innen uneinig. Sonja Augart und Amelie Mallmann finden es eher problematisch, sich nach der Tanzaufführung mit dem Stück zu beschäftigen und es so erklären zu wollen. Canan Erek hingegen möchte, dass durch eine rückwirkende Auseinandersetzung mit der Performance die gemachte Erfahrung verarbeitet wird. In der Nachbereitung sei es wichtig, so die Festivalkuratorin, Emotionen hervorzurufen und Erinnerungen zu schaffen, an die das Kind oder ein Jugendliche/r anknüpfen kann. Wenn der Performer*in selbst den Workshop leitet, dann sei die Aufmerksamkeit größer, so Erek. Adrían Vega, dessen Company Iron Skulls einen Wochenendworkshop für Jugendliche anbietet, ist gegen den großen Lehr- und Lerneffekt, Kinder sollen einfach ein Bewusstsein für den Tanz entwickeln und das erlangen sie am Besten mit viel Praxis. Jenseits von Regeln. Es gibt also noch viel zu tun, um Tanz in der Öffentlichkeit zu etablieren. PURPLE möchte dazu beitragen.

Text: Susanne Gietl

 

Weitere Informationen

„Round Up PURPLE“ fand am 26. Januar 2018 in den Uferstudios statt.

Teilnehmer der Feedbackrunde:

– Adrían Vega, Iron Skulls Co („Sinestesia“)
– Facundo Martin, Iron Skulls Co („Sinestesia“)
– Sander von Lingelsheim, Berliner Festspiele, Organisationsleitung „Tanztreffen der Jugend“
– Josephine van Rheenen, De Dansers („The Basement“, „Pokon“)
– Cornelia Baumgart, Leitung STRAHL.tanzt! („The Basement“)
– Nadja Raszewski, Choreografin und Tanzpädagogin („Workshop für Lehrer*innen“)
– Gabi Dan Droste, Theaterpädagogin, Dramaturgin
– Laura Cadio, Dramaturgin Performing Group („Chalk About“)
– Martin Rascher, Technische Leitung/Management von Performing Group („Chalk About“)
– Livia Patrizi, Initiatorin von „TanzZeit – Zeit für Tanz in Schulen“ in Berlin, das seit der Gründung mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde
– Sonja Augart, Tanzexpertin mapping dance berlin Programm
– Amelie Mallmann, Theaterpädagogin (Workshops und Künstlergespräch „Correction“)
– Margit Szlezak, Grundschullehrerin und Tanzpädagogin in der Humboldthain Grundschule

Anwesende von PURPLE:

– Canan Erek, Kuratorin, Künstlerische Leiterin
– Inge Zysk, Management Festival
– Uta Eismann, Öffentlichkeitsarbeit
– Cornelia Baumgart, Rahmenprogramm
– Alexandra und Viviane Defazio, Workshop, Künstlerbetreuung

Artikel: Susanne Gietl

 

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