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„Denken ist immer ein körperlicher Prozess“

Schlagworte
Datum
07.12.2020

Eine gewagte These, das Denken dem Körper und nicht dem Gehirn zuzuordnen. Doch Anna Konjetzky hinterfragt in „In welchem Wort versteckt sich die Welt?“ mit Hilfe der Tänzerin Sahra Huby und dem Ensemblespieler Andrej von Sallwitz sowie Textauszügen von Klaus Konjetzkys „Voices“ den Weg des Denkens. Sie nimmt die Zuschauer*in mit auf eine Reise durch das eigene Denken und verschiedene Wahrnehmungs- und Ausdruckswege. Im Gespräch hinterfragt sie herkömmliche Denkmuster. Das Stück feiert im „Theater an der Parkaue“ im Rahmen des Purpletanzfestivals Premiere.

Worum geht’s im Stück?

Ich mag den Titel, weil er schon viel erzählt. In jedem Wort ist die Welt versteckt und in jedem Wort entgleitet sie einem wieder. Letztlich geht es um eine Auseinandersetzung, wie sich das Gefüge von Sprache, Wahrnehmung, Benennen, Erfahren, Spüren zueinander verhält. 

Wie ist das gemeint?

Es gibt es ein sehr romantisches Bild vom Denken, dass man von allem frei seine Gedanken bildet, aber diese Freiheit muss man sich ganz hart erarbeiten. Wir sind auf eine bestimmte Art erzogen, haben Wertvorstellungen im Kopf, lernen, was Dinge sind, lernen Verhaltenskodexe, die damit einhergehen und Hierarchien im Denken. Also was wird benannt und wie wird es benannt und von wem wird es benannt?

„Ich nehme sie über alle meine Sinne auf“

Bei der Probe von „In welchem Wort versteckt sich die Welt?“ (Andrej von Sallwitz, Sahra Huby). Foto: Dedaproductions

Wie setzt man das, was im Kopf stattfindet, im Körper um?

Der Gedankenraum wird oft ganz schnell dem Kopf zugeordnet, aber das Gehirn sitzt in einem Körper, der agiert, fühlt, spürt und mit allem in Verbindung ist. Es gibt Informationen, die ich aufnehme und verarbeite, aber ich nehme sie über alle meine Sinne auf. Denken ist immer ein körperlicher Prozess. Wenn ich etwas denke, verändert es meine Körperlichkeit und meinen Bezug zu etwas. Wenn sich meine Körperlichkeit ändert, wird sich auch das verändern, was ich denke. In welchen Positionen denke ich wie? Wie betrachte ich den Körper?

Sie arbeiten mit einer Tänzerin und einem Schauspieler und Livezeichnungen. Gibt es eine Gleichberechtigung zwischen den Künsten?

Für mich stellt sich nicht die Frage, wie ich eine Gleichberechtigung zwischen Schauspiel und Tanz herstellen kann, sondern ich breche in die verschiedenen Ebenen herunter. Ich arbeite mit Körpern, einem vorgeschriebenen Text und Text, den wir generieren, ich arbeite mit der Ebene des Zeichnens, wir arbeiten mit Live-Zeichnungen und vorgezeichneten Zeichnungen. Zeichnungen und Schreiben habe eines gemeinsam:: Sie entstehen beide aus einer Linie heraus. Dann haben wir noch die Ebene der Musik oder des Klangs. Ist Sprache Teil des Klangs? Und dann gibt es noch die räumliche Ebene, die sich immer wieder ändert. Es gibt Momente, in denen erst der eine und dann der andere die Zügel hält. Und das Ganze ist natürlich verhaftet in einem choreographischen Denken, mit der Auseinandersetzung mit Dingen im Verhältnis. Mit der Betrachtung von Prozessen.

„Eigentlich sind wir eh nur eine kleiner Teil im Universum“

Anna Konjetzky (m.), Andrej Sallwitz und Sahra Huby (r.) beraten sich. Foto: Dedaproductions

Es werden immer wieder Verbindungen aufgebaut, es wird Kontakt hergestellt, ohne dass man sich berührt.

Was ich total spannend finde ist die Frage der Bezüge zueinander. Wir stehen immer im Verhältnis zu anderen und etwas. Bei einem Gespräch gibt es zum Beispiel viele Ebenen. Die emotionale Ebene, Blickebenen, sich wahrnehmen oder wieviel Raum man einander gibt. 

Wie choreografiert man ein so komplexes Stück und welche Themenfelder spricht das Stück an?

In den ersten Tagen haben wir ohne Text gearbeitet. Wir hatten ganz viele Versuchsanordnungen und haben darüber nachgedacht, wie wir uns wahrnehmen. Wir haben szenische Gedanken gesammelt oder zum Beispiel Anfang und Ende von Abläufen benannt. Das war eine Rahmung, an der wir uns entlang arbeiten konnten. Wir beschäftigen uns damit, wie man Sprache wahrnimmt und betrachtet. Das zweite ist der Bereich, dass Sprache ausgrenzen kann, weil sie schon mit einer Geschichte verhaftet ist. Der dritte Teil macht das physikalische Feld auf: schnell gesagt heißt das, wir stellen die Realität in Frage, beziehungsweise dass Realität eine Frage der Perspektive und der Konstruktion ist: wir sitzen im Theater, das Theater ist in einer Stadt und eigentlich sind wir eh nur eine kleiner Teil im Universum.

Auch diese Zeichnung wird in das Stück eingebunden.

Warum ist das Stück für junges Publikum geeignet?

Aus ganz vielen Gründen. Die Auseinandersetzungen, wie ich Dinge benenne und wahrnehme, sind total spannend; ich glaube auch, durch die Gedankenspiele, wie ich etwas sehe und ob sich durch die Benennung etwas verändert. Gerade auf dem Weg zum Erwachsenwerden konstruiert man seine eigene Realität. Wir alle haben unseren Raum und es ist eine Mischung aus einem realen (Erfahrungs-)Raum und einem Imaginationsraum und nach und nach setzen sich die Dinge fest, die unsere Referenzen werden. Gerade in Zeiten, in denen ein Gefühl, dass man sich in einer Sackgassse befindet, spürbar ist, denke ich mir: Wir könnten alles ganz anders machen.

Interview: Susanne Gietl

Weitere Informationen

„In welchem Wort versteckt sich die Welt?“ von Anna Konjetzky feiert im Theater an der Parkaue im Rahmen von PURPLE-Internationales Tanzfestival für junges Publikum Premiere.

Tanz und Spiel: Sahra Huby, Andrej von Sallwitz
Choreografie: Anna Konjetzky
Musik: Laura Konjetzky
Ausstattung: Hannes Hartmann, Leonie Mohr
Video: René Liebert
Live-Zeichnungen: Sahra Huby
Dramaturgie: Sarah Israel

Ein Tanzstück von Anna Konjetzky mit Textauszügen aus „Voices“ von Klaus Konjetzky. Eine Produktion des THEATER AN DER PARKAUE in Kooperation mit PURPLE – Internationales Tanzfestival für junges Publikum

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