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Verschwunden, nicht vergessen

Antje Pfundner "nimmer". Foto: Anja Beutler
Antje Pfundner "nimmer". Foto: Anja Beutler
Schlagworte
Datum
02.02.2017

„Nichts kann verschwinden. Alles taucht doch immer wieder auf, oder?“ Antje Pfundtners Performance „nimmer“ über das Verschwinden ist eine gelungene Mischung zwischen Kindertheater, Tanzvorstellung und Märchen für Erwachsene. Und ganz nebenbei bringt sie Kindern das Thema Tod nahe.

Vorstellung vor der Vorstellung

Im Vorraum werden Eltern und Kinder aufgefordert, ihre Jacken abzugeben. Dann werden sie in den Raum gebeten. Sie nehmen auf kleinen Hockern links oder rechts vor der Bühne Platz. Am Rand des linken Zuschauerraums befindet ein beinloses Skelett mit langen roten Haaren. Die Haare sind zu einem Zopf geflochten. Am rechten Publikumsrand stehen Beine einer Schaufensterpuppe. Wofür mögen sie gut sein?

Unsichtbare Stimme

Eine Stimme ertönt mal hinter den Zuschauern, mal vor ihnen. Wem mag diese Stimme gehören? Sie erzählt vom Verschwinden und dass alles wieder auftauche. Selbst eine graublaue Wollsocke sei nach exakt drei Jahren einfach so wieder dagewesen. „Alles kommt wieder. Selbst Erinnerungen.“ Sie fragt, wie es denn so sei mit dem persönlichen Verschwinden: „Wenn ihr verschwinden würdet, wer würde euch suchen? Wenn ich verschwinden würde, wer würde mich suchen? Ich verschwinde jetzt mal – von hier.“

Die Tür zur Bühne öffnet sich, Antje Pfundtner läuft langsam in die Mitte der Bühne, legt das Mikrofon auf den Boden, setzt sich und schlägt mit Schwung ihre Beine über den Kopf. Mit dem Kopf zwischen den Beinen ist sie wirklich fast verschwunden. So bleibt sie eine Weile. Als sie mit kantigen Bewegungen aufsteht, mimt sie ein Huhn, fällt wieder zu Boden und beginnt mit ihrer Geschichte.

Der Wolf und das Huhn

„Es ist Nacht. Es ist Winter.“ und dann erzählt sie die Geschichte vom Wolf, der beim Huhn anklopfte, um Steinsuppe zu kochen. Ein Junge dreht sich ganz aufgeregt zu seiner Mutter um: „Die Geschichte kenne ich!“ Später, wenn Antje den alten Wolf mimt und seinen einzigen Zahn ausspuckt, wird der gleiche Junge, er mag vielleicht sechs sein, zurückweichen. Ängstlich sieht er seine Mutter an und klettert auf ihren Schoß. Er hat Angst vor dem Wolf. Antje wird später ein langes Wolfssolo auf einer leeren Publikumstribüne im Nebel haben. Soundeffekte verstärken gruselige Atemzüge.

Foto: ©Anja Beutler

Foto: ©Anja Beutler

Märchencharaktere aus dem Publikum

Die Utensilien, die Pfundtner benutzt, führt sie erstmal vor: Ein Kleid aus schwerem Stoff schüttelt sie kräftig, so dass das Kleid für sich tanzt, und die Beine der Schaufensterpuppe hält sie im rechten Winkel vor sich.

Antje Pfundtner holt in „nimmer“ nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen in das winterliche Märchen. Die Charaktere spielt Pfundtner nicht selbst, sondern nominiert Leute aus dem Publikum, indem sie leicht ihre Schulter berührt: „Ziege“, „Schaf“, „Pferd“. Immer wieder bricht Pfundtner die Zuschauersituation auf. Sie verteilt Schnee(flocken) von gestern im Zuschauerraum, spielt nah am Publikum Klavier oder ruft im Zuschauerraum nach ihrer alten Bekannten Helen. Die Überraschung wird nicht nur für die Kinder groß sein, wenn Helen auftaucht. Manchmal redet sie vom Tod. Wenn sie beispielsweise mit Helen „Der Tod und das Mädchen“ spielt oder von Jacken und Menschen auf Beerdigungen spricht. Das Märchen, das Leben und die Bühne sind für Pfundtner eins.

Meine Mutter sagte immer, ich weiß nicht, wann Schluss ist Wer weiß das schon?“ Sie weiß es nicht. „Jetzt.“ ruft ein Kind „In hunderttausend Jahren.“ ein anderes „Jetzt.“ wieder das andere Kind. Sie wird performen, bis auch die Musik verschwunden ist. Und sie selbst. Doch bis dahin werden wunderschöne Dinge und Szenen passieren, die man nicht so schnell vergessen kann.

Kritik: Susanne Gietl

 

Weitere Informationen

Antje Pfundtners Performance „nimmer“ wurde am 28. und 29. Januar in den Uferstudios aufgeführt.

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